Dieser Beitrag wurde am 10. Mai 2025 veröffentlicht und zuletzt am 19. Mai 2025 von Sascha aktualisiert
Verrückte Laufprojekte sind genau mein Ding – das wissen die meisten, die mir schon länger folgen. Ich mag es, wenn Menschen das Unmögliche wagen, Grenzen verschieben und uns mitreißen – körperlich, mental, emotional. Deshalb habe ich mit großem Interesse verfolgt, was Russ Cook alias The Hardest Geezer in den letzten Monaten gemacht hat.
Im April 2023 startet er in Cape Agulhas, dem südlichsten Punkt Afrikas, mit einem Ziel, das gleichzeitig absurd und faszinierend klingt: zu Fuß quer über den afrikanischen Kontinent bis nach Ras Angela in Tunesien. Jeden Tag laufen. Marathon bis Ultra. 352 Tage. 16 Länder. 16.000 Kilometer.
Das ist ohne Zweifel eine extreme Leistung. Wer so etwas durchzieht, dem gebührt Respekt. Auch wenn ein Support-Team dabei ist. Auch wenn Sponsoren helfen. 352 Tage unterwegs zu sein – durch Wüsten, durch Dschungel, durch unsichere Regionen – ist nicht einfach nur ein bisschen laufen. Das ist ein echter Härtetest.
Umso gespannter war ich, als Russ direkt das nächste Projekt ankündigte: Ein weiterer Lauf, diesmal quer durch Neuseeland. Und wieder läuft er von Süden nach Norden, wieder gibt es tägliche Updates, wieder viele Follower. Aber diesmal ist etwas anders: An Bord ist 100% Pure New Zealand, die nationale Tourismusbehörde. Und plötzlich steht das Ganze nicht nur als Abenteuer da, sondern auch als Teil einer professionellen Kampagne.
Und genau hier wird’s spannend – und auch etwas heikel.
Denn mittlerweile mehren sich die kritischen Stimmen. Aufmerksame Follower fragen:
- Warum sind viele Strava-Daten nicht öffentlich oder fehlen ganz?
- Warum wird der ursprünglich angekündigte Te Araroa Trail – immerhin die Königsetappe Neuseelands – durch deutlich einfachere Straßenrouten ersetzt?
- Und warum verschwinden kritische Kommentare auf Instagram, während positives Feedback hervorgehoben wird?
Das sind keine Erbsenzählereien. Das sind berechtigte Fragen. Denn wenn ein Projekt diese mediale Aufmerksamkeit bekommt, wenn es durch Sponsoren finanziert wird und sich selbst als echtes, hartes Abenteuer inszeniert, dann wird auch Glaubwürdigkeit zur Währung.
Ich persönlich habe kein Problem damit, wenn jemand sein Abenteuer monetarisiert oder in eine Marketingstruktur einbettet – ganz im Gegenteil. Es ist nachvollziehbar, wenn man Projekte dieser Größenordnung nicht komplett alleine stemmen kann. Aber es muss ehrlich bleiben. Wer groß erzählt, muss auch große Fragen zulassen.
Natürlich kann man nicht jeden Tag alles perfekt tracken. Natürlich darf eine Route flexibel angepasst werden, wenn Wetter, Gelände oder Gesundheit es erfordern. Aber wenn sich solche Anpassungen häufen, wenn Dokumentationen lückenhaft sind und Rückfragen ignoriert oder gelöscht werden, entsteht schnell ein schaler Beigeschmack. Dann stellt sich die Frage: Geht es hier wirklich noch ums Laufen – oder längst um Reichweite, Markenbildung, PR?
Und das führt mich zu einer grundlegenden Frage, die ich auch im nächsten Podcast stellen werde:
Wie viel Transparenz dürfen oder müssen wir von Abenteurern erwarten, die sich in der Öffentlichkeit präsentieren – vor allem, wenn kommerzielle Interessen dahinterstehen?
Denn klar ist: Je größer die Bühne, desto größer die Verantwortung. Wer sich selbst als „härtester Läufer der Welt“ präsentiert, muss damit rechnen, dass man genauer hinschaut. Dass man nicht nur applaudiert, sondern auch überprüft. Und das ist nichts Negatives – im Gegenteil. Kritik ist keine Attacke, sondern Teil der Diskussion. Und genau die brauchen wir.
Denn wir leben in einer Zeit, in der Abenteuerprojekte längst nicht mehr nur sportliche Herausforderungen sind. Sie sind Content, Markenbotschaften, Kampagnen. Das ist nicht per se schlecht – aber es verschiebt den Maßstab. Früher reichte eine Leistung. Heute braucht es zusätzlich: Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Glaubwürdigkeit.
Ich bin gespannt, wie ihr das seht. Ist es für euch in Ordnung, wenn Abenteuer als Bühne für Marketing genutzt werden – solange die sportliche Leistung stimmt? Oder verliert ein Projekt seinen Wert, wenn der Fokus zu sehr auf PR liegt? Wie wichtig sind euch Dinge wie GPS-Daten, dokumentierte Strecken oder ein offener Umgang mit Kritik?
Schreibt mir gern in die Kommentare. Ich freue mich auf eure Sichtweisen – sachlich, offen, gerne kontrovers.
Denn genau darum geht’s: Wenn wir solche Projekte feiern, dürfen wir sie auch kritisch einordnen. Nur so bleibt das, was uns an ihnen fasziniert, wirklich glaubwürdig.
Links:
https://www.instagram.com/hardestgeezer