Zum Jahresende wird oft Bilanz gezogen. Zahlen, Projekte, Kilometer, Reichweiten. Was war gut, was schlecht, was kommt als Nächstes.
Ich merke: Genau darauf habe ich gerade keine Lust.
Nicht, weil nichts passiert wäre. Sondern weil sich gerade weniger nach Zählen anfühlt – und mehr nach Sortieren. Dinge zu beenden, ohne sie schlechtzureden. Dinge ruhen zu lassen, ohne sie zu verleugnen. Und ehrlich zu sein mit mir selbst. In den letzten Wochen habe ich einige Entscheidungen getroffen, die nach außen vielleicht größer wirken, als sie sich für mich anfühlen: Die Steady-Seite ist geschlossen, die Facebook-Seite des Podcasts ebenfalls. Der Podcast ist beendet. Nicht mit einer großen Abschlussfolge, nicht mit einem formellen Schlusspunkt – sondern leise, als Konsequenz dessen, was sich über längere Zeit entwickelt hat.
Instagram nutze ich aktuell noch. Nicht als Bühne, nicht als Kanal, nicht als Teil irgendeiner Strategie. Sondern als privaten Raum für Austausch, Unterhaltung und Kommunikation. Das passt im Moment zu mir. Alles andere nicht mehr. All das ist kein radikaler Schnitt. Eher ein leises Aufräumen.
Dinge bewusst beenden
Über viele Jahre hinweg war der Blog – und später auch der Podcast – ein fester Teil meines Alltags. Schreiben, aufnehmen, veröffentlichen. Nicht aus Pflicht, sondern aus innerem Antrieb. Aus dem Wunsch heraus, Gedanken festzuhalten, Geschichten zu teilen, Menschen zu Wort kommen zu lassen, die etwas zu erzählen haben. Irgendwann verändert sich dieser Antrieb. Nicht plötzlich und nicht dramatisch. Er wird leiser. Man merkt es daran, dass Ideen länger liegen bleiben. Dass Gespräche im Kopf nicht mehr entstehen. Dass man Dinge zwar noch kann, aber nicht mehr unbedingt will.
Die Schließung von Steady und der Facebook-Seite ist deshalb kein Rückzug, sondern eine Konsequenz. Diese Plattformen haben ihren Zweck erfüllt. Sie haben getragen, unterstützt, ermöglicht. Aber sie passen nicht mehr zu dem, wie ich meine Zeit und Energie heute einsetzen möchte. Zeit ist begrenzt. Aufmerksamkeit auch. Und ich habe gelernt, dass es sich langfristig nicht gut anfühlt, Dinge nur aus Gewohnheit weiterzuführen.
Bevor ich weitergehe: Danke
Bevor ich erkläre, warum ich Dinge beende, ist mir eines wichtig: Dieser Schritt ist kein Abschied von den Menschen, die mich über Jahre begleitet haben. Leser:innen, Hörer:innen, Supporter – viele von euch sind seit sehr langer Zeit dabei. Ihr habt gelesen, zugehört, kommentiert, geschrieben, unterstützt. Manche laut, manche leise, viele einfach konstant. Oft ohne große Erwartungen, ohne Forderungen. Das ist alles andere als selbstverständlich.
Dass dieser Blog so lange existiert und dass der Podcast über die Jahre so viele Menschen erreicht hat, liegt nicht an mir allein. Es liegt daran, dass es Menschen gab, die sich Zeit genommen haben. Zeit zum Lesen. Zeit zum Zuhören. Zeit zum Mitdenken.
Das möchte ich an dieser Stelle ganz bewusst sagen – nicht als Pflichtsatz, sondern weil es mir wichtig ist.
Laufen, Routine und der Verlust von Geschichten
Ich habe an anderer Stelle ausführlich darüber geschrieben, wie mich fast ein Jahr tägliches Laufen – Streakrunning – langsam den Spaß am Laufen gekostet hat. Was als kleine Challenge begann, wurde zur Pflicht. Aus Erlebnis wurde Routine. Aus Freiheit Statistik.
Das hat nicht nur mein Verhältnis zum Laufen verändert, sondern auch zu allem, was daraus entstanden ist. Früher war fast jeder Lauf ein Gedanke, eine Beobachtung, eine Geschichte. Etwas, das man erzählen wollte. Etwas, das nachhallte. Wenn aber jeder Lauf gleich ist, wenn man spätabends müde noch schnell ein paar Kilometer sammelt, um einen Haken im Kalender zu setzen, bleibt wenig übrig. Kein Draußen-Gefühl. Kein Abschalten. Kein Erzählen.
Und ohne Geschichten braucht es keinen Podcast.
Dazu kommt ganz pragmatisch: Die Suche nach Gästen, das Schreiben, Abstimmen und Terminieren von Gesprächen kostet Zeit. Mehr, als viele denken. Ich wollte im Podcast nie einfach die gleichen Gäste einladen, die ohnehin überall zu hören sind. Mich interessiert das Unauffällige, das Besondere, die Geschichte hinter der Leistung. Wenn dafür weder Zeit noch innere Energie da ist, fühlt sich ein Podcast schnell nach Pflicht an. Halbe Sachen wollte ich dort nie machen.
Ein Entschluss, der nicht neu war
Der Gedanke aufzuhören ist dabei nicht neu. Ich hatte ihn im Laufe des Jahres immer wieder. Eigentlich wollte ich schon mit Episode 199 aufhören – einfach so, ohne großes Finale, noch vor der runden Zahl. Das hätte sich für mich stimmig angefühlt.
Ich habe es dann doch nicht gemacht. Vielleicht aus Gewohnheit. Vielleicht aus dem Gefühl heraus, dass man „so etwas“ nicht einfach beendet. Die 200 stand im Raum, unausgesprochen, als Marke, als Anlass, als möglicher Abschluss.
Im Rückblick war genau das der Punkt: Ich wollte kein Zeichen setzen. Keine Zäsur inszenieren. Kein Finale bauen. Ich wollte einfach aufhören, wenn es sich richtig anfühlt. Und dieses Gefühl war eigentlich schon da.
202 Episoden. Unvollendet.
Am Ende stehen jetzt 202 Episoden. Keine runde Zahl, kein sauberer Abschluss, kein bewusst gesetzter Punkt.
202 ist zufällig die Hälfte von 404 – dem bekannten HTTP-Fehlercode. Not found. Ich musste darüber schmunzeln. Nicht, weil es besonders clever wäre, sondern weil es erstaunlich gut passt.
Lange Zeit hätte mich genau das gestört: dieses Gefühl von Unvollständigkeit, davon, dass etwas offen bleibt. Heute empfinde ich das anders. Die 200 war nie das Ziel. Und die 202 sind kein Versehen. Sie sind einfach das Ergebnis davon, dass ich Dinge nicht mehr nach Zahlen, Marken oder Symbolen ausrichten wollte – sondern nach Gefühl.
Vielleicht ist genau das der ehrlichste Zustand: nicht perfekt, nicht rund, nicht abgeschlossen im klassischen Sinn. Sondern beendet, weil es gepasst hat.
Große Plattformen, kleine Entscheidungen
Mein Verhältnis zu großen Social-Media-Plattformen hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Nicht nur aus persönlicher Müdigkeit heraus, sondern auch aus politischen Gründen. Viele dieser Netzwerke werden von Konzernen betrieben, deren Machtkonzentration, Geschäftsmodelle und Nähe zu autoritären, antidemokratischen Strömungen mir zunehmend Bauchschmerzen bereiten. Es fühlt sich für mich nicht mehr gut an, diese Systeme selbstverständlich mit Aufmerksamkeit, Inhalten und Zeit zu füttern. Nicht aus Trotz, nicht als Protestgeste – sondern, weil es sich innerlich nicht mehr stimmig anfühlt.
Aus dem Meta-Konzern sind aktuell noch Instagram und WhatsApp Teil meines Alltags. Instagram, weil es für mich inzwischen eher ein persönlicher Kommunikationsraum ist als eine öffentliche Bühne. WhatsApp, weil der Netzwerkeffekt dort enorm ist. Fast jeder nutzt es, vieles läuft darüber. Ein vollständiger Ausstieg ist schwierig, manchmal schlicht unrealistisch.
Trotzdem ist die Richtung klar. WhatsApp ist für mich kein Dauerzustand mehr, sondern eine Übergangslösung. 2026 möchte ich versuchen, mich auch dort weiter zu lösen und Alternativen stärker zu nutzen – wissend, dass das Zeit braucht und nicht von heute auf morgen funktioniert.
Monetarisierung beenden
Mit diesem Beitrag endet auch die Monetarisierung des Blogs über Google Ads. Nicht, weil Werbung per se etwas Schlechtes ist. Sondern, weil auch sie Teil desselben Systems ist, von dem ich mich zunehmend distanziere. Aufmerksamkeit gegen Reichweite, Inhalte gegen Klicks, Seitenaufrufe gegen Einblendungen – lange Zeit war das ein akzeptierter Kompromiss.
Für mich fühlt er sich inzwischen nicht mehr richtig an.
Der Blog soll wieder das sein, was er ursprünglich war: ein Ort für Gedanken, Erfahrungen und Geschichten. Ohne Optimierung auf Werbeformate, ohne Rücksicht auf Anzeigenplätze, ohne den Druck, Inhalte auch monetär rechtfertigen zu müssen.
Abhängigkeiten, die bleiben
Das Beitragsbild zu diesem Text ist KI-generiert. Auch das ist kein Zufall – und kein Widerspruch. Es ist eher ein weiteres Beispiel dafür, wie tief unsere Abhängigkeit von großen Tech-Konzernen inzwischen reicht. Selbst dort, wo man sich bewusst distanziert, bleibt man Teil des Systems. Vielleicht geht es genau darum: nicht um den Anspruch, sich vollständig zu entziehen, sondern um einen bewussteren Umgang. Um Entscheidungen im Kleinen. Um das Hinterfragen von Selbstverständlichkeiten.
Kein Abschied, kein Neustart
Dieser Text ist kein Abschied vom Laufen. Und auch keiner vom Schreiben. Es ist kein Manifest und kein Neuanfang. Eher ein Innehalten.
Ich beende Dinge, weil sie sich nicht mehr richtig anfühlen. Nicht, weil sie falsch waren. Im Gegenteil. Sie haben mich lange begleitet, geprägt, bereichert. Und genau deshalb verdienen sie einen sauberen Abschluss – auch wenn er nicht rund ist. Zum Jahresende möchte ich deshalb noch einmal ausdrücklich Danke sagen. Danke an alle, die diesen Weg über Jahre begleitet haben – im Blog, im Podcast, über Steady, per Mail oder ganz still im Hintergrund. Eure Zeit, euer Interesse und eure Rückmeldungen waren nie etwas, das ich als gegeben betrachtet habe. Sie waren der Grund, warum es sich so lange richtig angefühlt hat, weiterzumachen.
Dass ich jetzt Dinge beende, ändert nichts an dieser Wertschätzung.
Wie es weitergeht? Das weiß ich selbst noch nicht genau. Vielleicht entstehen wieder Geschichten. Vielleicht auch nicht. Und beides wäre in Ordnung. Manchmal ist weniger kein Verlust – sondern eine Form von Klarheit.